Wie wäre es eigentlich, morgens unter der warmgepupten Bettdecke liegen bleiben zu können und selbstzufrieden bis grenzdebil grinsend über die Reize seines Partners hinweg durch das offene Fenster hinaus aufs blaue Meer zu schauen? Die Sonne strahlt gülden am Firmament, eine weiße Segelyacht gleitet am Horizont dahin und man fragt sich: „Mensch, wem hatte ich bloß meine Yacht geliehen? Na, egal. Ich hab ja noch eine.“
Bislang glaubte ich, solche Träume leben nur die Brad Pitts oder Madonnas dieser Welt. Zumindest aber sollte man eine Oma Beate haben, die mit anzüglichen Luststengeln ein Vermögen gescheffelt hat. Gestern erfuhr ich allerdings, dass Erfolg, Reichtum und Gesundheit allein aus manifestierten Wünschen resultieren.
„Denk dich reich!“, erklärte mir ein guter – ansonsten ganz normal wirkender – Freund bei Kaffee und Kuchen. „Du musst die Kraft deines Unterbewusstseins nutzen, um deine Ziele zu erreichen.“
„Aha. Und wie mach ich das?“
„Indem du dir intensiv vorstellst, was du haben willst. Dann kommt das Glück zu dir.“
„Prima.“
Wir schwiegen. Nach einer Weile brach er das Schweigen: „Was ist denn los? Du bist so ruhig?!“
„Ich konzentriere mich auf dein Kuchenstück und will, dass du es mir rüberschiebst.“
„Kannste vergessen!“ Sprach´s – und weg war das Stück. Auf meinen Kommentar, die Suggestionsmethode funktioniere wohl nur bei Androhung von Gewalt, erklärte mir selbsternannter Messias, der Weg zu Ruhm und Ehre sei eben steinig. Da müsse man schon etwas üben, üben und üben. Bei dem Gedanken, jeden Morgen nackt mit einer weißen Strickmütze auf dem Kopf mein Mantra zu tanzen und dazu „Ich bin so schön. Ich bin so toll. Ich bin der Anton aus Tirol“ singen zu müssen, stellten sich mir die Nackenhaare zu Berge. Doof kraft Autosuggestion.
Wenig überzeugt, dafür umso motivierter fuhr ich nach Hause und stellte mir angestrengt vor, wie mir Erleuchtung und Geldregen zuteil werden würden – ohne den ganzen Voodoo-Quatsch studieren zu müssen. Nach einer ereignislosen Stunde räumte ich meinem Schicksal zähneknirschend weitere 15 Minuten zur Erfüllung meiner Forderungen ein, wobei ich Erleuchtung gegen Pizza tauschte, da ich mittlerweile ziemlichen Hunger bekommen hatte. Als mich das Universum ein weiteres akademisches Viertel meiner Langeweile überließ, beschloss ich, meinem Glück nachzuhelfen und zumindest das Standardwerk zu diesem Thema zu lesen. Also konzentrierte ich meine kosmische Energie auf ein neues Ziel: Lieber Postbote, bring mir ein genial kurzes, vorzüglich preiswertes Buch zum Thema „Reich ohne Arbeit“ oder „Gesund essen mit Pommes & Co“. Und wenn du schon unterwegs bist, vergiss auch nicht die Pizza! Nach weiteren zwanzig inhaltsleeren Minuten des Wartens intensivierte ich meinen Gedankenstrahl, indem ich den Song „I can´t get no satisfaction“ in die Anlage schmiss und voll aufdrehte. Ich stellte mir vor, wie mein Wunsch auf den Schwingungen Mick Jaggers Gequäke reiten und sich in den Ohren des Postboten manifestierten. Drei Minuten später klingelte es an der Tür. Meine stattliche Nachbarin stand mit zornesrotem Kopf und Feinripp-Unterhose auf der Türschwelle. Gott, das hatte ich nicht gewollt! Sie meinte, ob ich wohl bekloppt wäre, mitten in der Nacht so´n Terz zu machen. Ich wollte erklären, dass ich auf den Postboten warte, aber Ihr Blick verriet mir, dass ihre Energie ausreichen würde, meinen Kopf dahin zu stecken, wo ich ihn allein nie wieder rausbekommen würde. Also schwieg ich und gelobte Besserung.
Ein wenig demotiviert schlich ich zurück ins Wohnzimmer. Allerdings: Was hatte ich erwartet? Wie sollte ich die Geheimnisse der Welt beherrschen, ohne mir das Wissen darüber angeeignet zu haben. Es nutzte nichts: Vor der Suggestion stand das Studium. Google und Wikipedia verrieten mir den Namen des Zentrums dieser Weisheit: Joseph Murphy. Mr. Positiv-Ist-Das-Leben-Toll. Master Zen. Verfasser so sagenhafter Bücher wie: „Entdecke deine unendlichen Kräfte“, ,„Mit TelePsi Ihre Ziele erreichen“ oder „1000 Wege, Gold zu scheizen “ in der 67. Auflage. Himmel, wie kann man ein Buch mit 67 Auflagen herausbringen? Entweder hatte der Lektor die korrigierende Kraft des Universums nicht verinnerlicht oder Master Murphy hat den Weg des Geldverdienens dank hundertfacher Wiederholung perfektioniert. Egal! Ich werd´s herausfinden.
MW
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Vermutlich klappt das bei mir mit der Autosuggestion nicht, weil ich einen anderen Song von den Stones auflege: „You can’t always get what you want“
;-)) stimmt. manchmal liegts an den kleinigkeiten :-))
Endlich mal etwas Humor bei diesem Thema! Aber auch satirische Selbstgespräche sind Autosuggestion. Wie gut, wenn es ein Gespräch ist, bei dem man was zu lachen hat! Also weiter auf und hinein ins Leben!
Franz Josef Neffe