Ich gebe es offen zu: ich bin Tante.
Mehrfache sogar. Es begann vor ca. 24 Jahren, und seitdem komme ich nicht mehr davon los. Es scheint, als würden es jedes Jahr mehr…
Neffen und Nichten muss man einfach haben, sonst hat man etwas verpasst. Etwas Grundlegendes, eine so existentielle Erfahrung wie das Erahnen des Terrorpotential beim Kinderweihnachtsbasteln …
Ja ja, klingt harmlos – ist es aber nicht. Eher eine Kaderschmiede für extrem böswillige, hyperaktive, gierige, sozial verkrüppelte Minimonster in Engelskostümchen. Während sie brutal und rücksichtslos mit gefährlichen Klebstoffen, abgerundeten Scheren und spitzen, das Augenlicht bedrohenden Strohhalmen hantieren, zeigen die gefräßigen kleinen Konsumlarven ihr wahres Gesicht! Zwar verletzten sie nur unser ästhetisches Empfinden, aber oft kommt Schlimmes dabei heraus: So genannter Weihnachtsschmuck, der natürlich mit Vorliebe hilflosen Tanten in die Hände gedrückt wird, die daraufhin pflichtbewusst ihr Gesicht zu einem erfreuten Lächeln und haarsträubende Lobeshymnen abspulen müssen, weil sie bei Verweigerung des familiären Zivilgehorsams stehenden Fußes – Fest der Liebe hin oder her – auf ewig aus der Sippe verbannt würden!
Was daran allerdings Schmuck sein soll, weiß ich nicht. Nicht mal zur Trash-Kategorie lässt sich das Zeug zählen. Aber die 1,10-Meter-Monster bestehen darauf – bohren sogar in der Wunde, indem sie mit zuckersüßem Marialächeln fragen, ob es „der Tante auch gefällt“. „Hm“, mache ich dann immer und täusche mit schreckensgeweiteten Augen einen Hustenanfall vor. Und sämtliche Erzieher, Eltern und Großeltern – diese Feiglinge! – machen bei dem großen Bastel-Beschiss, dem „ach, wie hübsch hast du das gemacht!“-Spiel mit. Manche tun sogar unverzeihliches: Sie spornen die Klebe-Schneide-Falt-Monster an, weiter zu produzieren. Damit verfolgen sie einen besonders perfiden Plan. Sie wollen sich rächen, nach all den Jahren still ertragenen Leids, sehen sie jetzt ihre Chance, sich mithilfe dieser glitterbesprühten willigen Beihelfer des Bösen an den Familienmitgliedern zu rächen. Dazu reicht ein einziger Satz aus: „Schenk den schönen Weihnachtsmann doch Tante Barbara!“ Und wenn sie ganz unerbittlich sind und gleich dem herzlosen Scrooge jedes Mitleid verloren haben, fügen sie noch mit einem eisigen Lächeln hinzu: „Sie wird sich sicher sehr freuen und liebend gern an ihren Baum hängen …“ Die Strohschnur reißt bei meinem Würgversuch und so muss ich weiter vor fünf Metern Rosinenstollen – ich hasse Rosinen! – ausharren und auf Gnade hoffen. Noch habe ich nicht aufgegeben und schwöre, aber leise, so dass es niemand außer mir hören kann: Mir kommt so eine hässliche ringförmige Christbaumkette, die wie ein bekloppte Schrottmetallschlange aussieht, nicht an den Baum. Ok, „üsch abe auch gar keinen Baum“… Und das ist, verdammt noch mal, gut so! Weihnachten ist etwas für Irre – und Kinder …!
Meine Aufmerksamkeit wird von einem Haufen Kleinkindern, die mir mit scharf-kantigem Staniolpapier drohen und unbedingt die Schnittfestigkeit meiner Achillesferse testen wollen, beansprucht.
Die anderen tun unterdessen ganz friedlich; ihre Tarnung: Mit euphorisch irrwitzig wildem Blick kreieren sie ohne Unterlass unsymmetrische Kitsch-Sterne oder behinderte Figuren. Es sollte verboten werden, von irgendeiner Menschenrechtsorganisation – von mir aus sogar von der CDU; nur macht diesem Wahnsinn ein Ende. Das kann doch nicht ewig so weitergehen. Die pflanzen sich doch fort – eines Tages, und dann…? Dann bastelt die nächste Generation mit Cyber-Leucht-Papier und verteilt Alien-Weihnachtsmänner und Atomstroh-Sterne – an geknebelte Tanten und gehirngewaschene Onkel.
Irgendwann brennt durch geschicktes Ablenken und gemeinsames Taktieren der Kleinen endlich das Haar der dicklichen Erzieherin. Großes begeistertes HALLO ist die Folge! Die brennende Weihnachtsfee singt in den höchsten Tönen, während sie immer schneller, die Hände in den Flammen, im Kreis tanzt. Die Kinder … klatschen! Diese Weihnachtsteufelchen…
Zum Schluss sind alle Plätzchenteller leer oder zumindest vom Tisch gefegt, die Erzieherin kippt heulend mit verkohlter Halbglatze den fünften „Kinderglühwein“, der nun aber verdächtig nach Wurzelpeter riecht, und die „lieben Kleinen“ … die hecken mit pfundweise Bastelmüll beladen und zusammengekniffenen Augen schon den nächsten fiesen Terrorplan aus: Bald ist Ostern …
Ich schleiche mich davon; schließlich muss ich noch einen Weihnachtsbaum erstehen – für all den schönen selbst gebastelten Christbaumschmuck, den ich geschenkt bekommen habe.
Köstlich! Hinreißend! Eine großartige Kolumne!
Ich hab‘ etliche Male laut aufgelacht.
In einem Satz: Humor wie ich ihn liebe!
Gruß aus Wien
Martina
P.S.: Ich schau‘ bestimmt bald wieder hier vorbei …
Ich bin keine Tante und werde es (vermutlich) auch nie werden und dank dir, liebe Barbara, weiß ich jetzt, dass das auch gut so ist.
hihi, ich bin paps,onkel,patenonkel,bruder u jetzt auch schon 3 1/2 jahre opatoni (die feiglinge – hihi) – ich bin der größte liebling, bösewicht usw. meiner kleinen enkelin – alles nimmt sie mir weg u alles gehört ihr (wenn sie schlecht drauf ist!) u ich bin der böse u wenn ich dann weggehe, dann zeigt sie mir meine jacke usw…..! hihi – was sich liebt – das neckt sich – auch zwischen enkelin u opatoni – hihi! ich lieb sie trotzdem – oder gerade deswegen – schöne weihnachtstage, bye