Hera Lind (Roman nach einer wahren Geschichte
„Die wahre Geschichte eines Pflegekindes auf einem Bergbauernhof
Mitfühlend und Mut machend erzählt Spiegel- Bestseller-Autorin Hera Lind in ihrem Tatsachenroman »Im Namen der Barmherzigkeit« das Schicksal von Steffi, die Furchtbares durchgemacht hat. Aber zum Schweigen hat sie sich nicht bringen lassen.“
Ganz ehrlich: Ich habe schon über viele tragische und einzigartige Frauenschicksale gelesen. Selten aber ein so emotional anspruchsvolles Buch.
Die Geschichte ist (furchtbar) berührend, stellenweise unglaublich und lässt einen sowohl als LeserIn einerseits fassungslos, unendlich zornig, sehr nachdenklich und andererseits beinahe ehrfurchtsvoll Seite um Seite umblättern.
Es ist schwer auszuhalten, zu ahnen, was als nächstes kommt/ kommen könnte, welches Unheil – aber auch welch kleinen lichten Momente des Glücks in all dem Erwachsenen-gemachten zerstörerischem Chaos das Leben für die (kleine) Protagonistin bereithält.
Die Geschichte beginnt nach dem eigentlichen Anfang auf den ersten Blick beinahe idyllisch
„Im Namen der Barmherzigkeit nimmt die steirische Bauernfamilie Kellerknecht jedes Jahr ein Pflegekind auf. So kommt die knapp dreijährige Steffi in den Siebzigerjahren auf den abgelegenen Bauernhof.“
Doch alles andere als Idylle und Wärme erwartet das kleine Mädchen: „Zwischen den anderen Pflegekindern lernt sie schnell, dass sie für ihre kargen Mahlzeiten und das Etagenbett in der Dachkammer hart schuften muss, und zwar barfuß.“
Auch in den Schule hat sie es schwer, fühlt sich stets und überall als Kind „zweiter Klasse“
Nur klitzekleine Ausnahmen aus dem Arbeitstrott, das Zwinkern ihres Pflegebruders, seltene schöne Begegnungen und wenige Momente der Freude durchbrechen ihr Universum, das sie ja nur so kennt. Sie passt sich an, schuftet zu Hause Tag und Nacht, erträgt Schläge sowie drakonische Bestrafungen und versucht stets, ein „braves“ Mädchen zu sein – immer auf der verzweifelten Suche nach ein wenig Zuneigung und Aufmerksamkeit. Die ganze Grausamkeit des Systems, insbesondere ihrer Pflegeeltern, das Versagen des Jugendamtes/ der damaligen Fürsorge, die Verlogenheit der kirchlichen Instanz und die Ignoranz und Verachtung bei Schul- und Dorfgemeinschaft wird ihr erst später – im Rückblick – gänzlich bewusst. Als Leser/in fühlt man die ganze Zeit mit …
Achtung Trigger: Sexueller Missbrauch.
Es kommt noch schlimmer: Ab ihrem neunten Lebensjahr wird Steffi vom Bauern regelmäßig (brutal) missbraucht. Allein, schwer traumatisiert und völlig verängstigt schafft sie es nicht, sich jemandem mitzuteilen – und als sie es doch tut, wird sie der Lüge bezichtigt und wiederum bestraft.
Schließlich psychisch am Ende und aus den Klauen der Pflegefamilie befreit, geht ihr Leidensweg weiter: „Mit fünfzehn ist sie schwanger und wird in ein Kloster abgeschoben, wo sich barmherzige Nonnen um ledige junge Mütter kümmern. Steffi will ihrem Kind eine bessere Kindheit bieten und macht sich auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter…“
Es hat mich umgehauen, wie stark die Protagonistin letztendlich ist, wie sie sich (auch mit Hilfe einiger hilfsbereiter und fähiger Menschen, meist Frauen …) immer wieder aus dem Dunkel befreit und letzten Endes niemals aufgegeben hat. Auch und gerade ihrer Tochter zuliebe … Die Wärme und Liebe für sie sind in jeder Zeile spürbar. Besonders auch die Nachworte haben mir noch einmal vor Augen geführt, worum es in diesem Buch geht …
Hera Lind hat sich der Geschichte einfühlsam und gekonnt angenommen und den schweren Stoff zu einem gut lesbaren Buch verarbeitet (auch wenn der Kern harte Kost bleibt), denn diese Geschichte ist zu wichtig, als dass sie ungehört bleibt.
„Ein berührendes Schicksal über ein verdrängtes Kapitel unserer Geschichte
Was Steffi zugestoßen ist, war auch kein Versehen: Bis in die 80er-Jahre hinein wurden Heimkinder systematisch bei verarmten Bauern untergebracht – nicht nur in Österreich. Bestseller-Autorin Hera Lind gibt in ihrem Tatsachenroman mit Steffi stellvertretend Tausenden Kindern eine Stimme.“
Ein wichtiges, wenn auch nicht einfaches Buch – grandios geschrieben und bis ins Mark berührend … Auf dass Solches nie wieder wieder passiert und wir alle mithelfen, es in Zukunft besser zu machen und die Augen nicht zu verschließen.