Kolumne
Kennen Sie das: Pärchentreffen? Solche Menschen, mit denen man lange Abende bei Salzstangen und Weinschorle verbringt?
Man redet und trinkt und hört und trinkt … Und dann schaut man auf die Uhr und erschrickt: „Was?!“ Man zieht frustriert die Brauen hoch und staunt: „Erst eine Stunde vergangen …“ Dabei kam es einem vor, wie eine Ewigkeit, nein „Ewigkeit hoch 3“.
Besonders seitdem das Thema von Politik und Gesellschaft auf Zierfische und Strickmuster gekommen ist. Und plötzlich wird man philosophisch, denkt sich: Vielleicht gibt es das Prinzip „Hölle“ doch noch …
Gefangen im Feuer der Eitelkeiten, zugetextet von Koi-Kennern und Strick-Lieseln. Da kann so ein Abend schon lang werden. In solchen Augenblicken wünschte ich dann immer, ich könnte meditieren. Aber so unauffällig, wissen Sie. So mit offenen Augen. Sich so heimlich ausklinken, immer wieder mal zustimmend nicken, damit die Runde keinen Verdacht schöpft. Wie so eine Winkekatze, die mit dem Arm, halt nur mit dem Kopf. Und nicht vergessen: In regelmäßigen Abständen kleine Gesprächsbeiträge leisten: „Hm.“ „Ja, sicher.“ „Ich weiß nicht …“ „Kannst du das ausführen?“
Mit ausdrucksloser Miene zu „Hm“-nen – das machen ja viele: Morgens am Frühstückstisch, an Weihnachten in der Kirche oder abends auf der Couch, wenn man viel lieber den Krimi gucken möchte als sich mit den Schulfesten der Kinder zu beschäftigen. Oder wenn Schwiegervater wieder ausholt und die politische Weltlage von 1956 erklärt.
Ich bin dabei übrigens ein Naturtalent: Ehrlich, ich habe das schon früh, genauer gesagt, im Kindergarten geübt: Zum Beispiel wenn wir das Lied vom Busfahren singen sollten. Ich habe engagiert den Mund auf- und zugeklappt und möglichst oft geklatscht. Das reichte …
In der Uni später auf den Fensterplätzen bei den Vorlesungen übrigens auch.
Doch es gab weitere Übungsfelder: Bei Dates, – da habe ich das Klatschen aber lieber weggelassen – die sich farb- und geschmacklos wie alter Kaugummi zogen, habe ich das perfektioniert: hinter so einer Kaffeetasse kann man so viel verstecken …
Durch die Schule schummelte ich mich so bis zum Abitur durch. Du musst nur strategisch vorgehen: Richtigen Platz wählen, richtigen Leute kennen, die Lehrer charakterisieren. (Es gibt die, die besonders interessierte, erstaunte oder schmeichelnde Äußerungen schätzen.)
Ja, sogar bei seiner Hochzeit hat mein Kumpel das gebracht: Auf die Frage: „Wollen Sie …?“ antwortete er nur geistesabwesend: „Hm.“
Ebenso beim ersten Kind im Kreißsaal.
Richtig blöd war das neulich bei meinem Chef, der völlig austickte und mich schließlich wutentbrannt fragte: „Halten Sie mich für einen kompletten Idioten?!“ Ich antwortete nur: „Hm.“
Seitdem habe ich sehr viel Freizeit und arrangiere nun jede Woche mindestens einen Pärchenabend. Die Streichhölzer nutze ich nicht nur zum Kerzen anzünden.